Sonntag, 1. Dezember 2013

schattenseiten

Guten Tag ihr Wintermenschen!

Fröhlichen 1. Dezember (warte, kann das sein? Schon Dezember?) und einen schönen 1. Advent. Ich fühle mich absolut nicht weihnachtlich, kein klitzekleines bisschen, auch wenn ich heute morgen total überrascht einen Adventskalender von meiner Mama aus Deutschland erhalten habe, was ich immer noch nicht glauben kann! Danke Mama, du bist die allerbeste! Aber naja, ich sitze im Bikini am Pool und esse Ananas, wie soll ich mich da auch weihnachtlich fühlen? Die Lichterkette ums Haus macht auf jedenfalls mehr die Stimmung von einer Juli-Gartenparty als von Weihnachten... Nächste Woche gehe ich dann auch noch auf ein kostenloses Stan Walker Konzert und übernachte mehr oder weniger jeden Tag bei meinen Freundinnen, weil die jetzt auch alle mit ihren Exams fertig sind und viel Zeit für mich haben! Und ich 19 Tagen ist meine Familie schon hier, was mein absoluter Traum ist! Was kann ich sonst noch erzählen? Ich schlafe eigentlich jeden Tag aus, erledige meine Pflichten, treffe mich dann mit Freunden und skype Abends mit Deutschland. Und in unserem Pool gehe ich fast jeden Tag schwimmen oder im Meer! Das klingt alles ganz schön perfekt, aber das ist es natürlich nicht. Ich glaube in der heutigen Welt gibt es keinen Platz der Erde, wo man ein langfristiges perfektes Leben haben kann, ohne Probleme, Sorgen und schlechten Tagen. Ja, die habe ich auch. Viel! Aber auf der anderen Seite, bin ich hier so glücklich, so so so sehr glücklich, wie ich es zuvor noch nie bewusst gewesen bin. Na klar, habe ich manchmal auch Sehnsucht nach Zuhause, nach Brezeln, nach Lebkuchen, nach meiner Familie, meinen Freunden, nach Weihnachtsstimmung und all solchen Sachen, ja, auf jeden Fall! Ich meine, das gehört ja auch irgendwie dazu, so fängt man an Dinge zu schätzen, die man noch nie geschätzt hat, einfach weil sie immer da waren... Und ja, es ist manchmal nicht einfach, mit Menschen hier umzugehen, es gibt auch viel Streit und hässliche Seiten an meinem Leben mit meiner Gastfamilie, das kann man nicht leugnen, weil das einfach so ist, wenn man mit fremden Menschen zusammenlebt, die dich einfach nicht seit immer kennen und du einfach nicht ihre echte Tochter bist, auch wenn es sich fast manchmal so anfühlt. Und mit der Zeit fange ich immer mehr an, mich nach hause zu wünschen, zu meiner Klasse, meinem Alltag, meinen Freunden! Und dann mit meinen deutschen Schulsachen ist es auch nicht so einfach, wie ich mir das anfangs eingeredet habe. Und ich verpasse wirklich wirklich viel, vor allem weil ich ja jetzt auch noch so lange Ferien habe und nichtmal hier in die Schule gehe. Nun ja, der aktuelle Stand der Dinge ist, dass ich früher nach hause gehe. Nicht, weil ich so unglücklich hier bin, nein, ich bin hier nämlich überglücklich, sondern einfach weil ich jetzt schlicht weg Mehr als ein halbes Jahr Halli Galli am anderen Ende der Welt hatte, mit ein bisschen easy-going Schulkram und jetzt 3 Monate Ferien, dass mein Papa einfach der Meinung ist (und ich eigentlich auch), dass es mir mehr bringen würde, früher nach Hause zu kommen, als eigentlich geplant, einfach weil meine Zukunft nun mal in Deutschland ist, so gern ich auch am liebsten einfach hier meinen Abschluss mach würde, aber ich will und muss einfach mein Abi in Deutschland beenden und das will ich auch so bald wie möglich und mit meinen besten Freundinnen und deshalb ist Wiederholen auf jeden Fall keine Option. Natürlich frage ich mich 19573 mal am Tag, ob das die richtige Entscheidung ist, ob ich glücklich damit bin, ob es gut für mich ist. Und jedes mal fangen meine zwei Hälften, meine Neuseeländische und meine Deutsche, mein Herz und mein Verstand sich an zu streiten: JA NEIN JA NEIN JA NEIN. Und ich weiß, ich werde so weinen und Neuseeland so sehr vermissen, dass ich es nicht in Worte fassen kann und will, einfach weil ich mein Herz hier verloren habe, zumindest eine Hälfte, aber auf der anderen Seite weiß ich, wie hart es wird, all das aufzuholen, was ich verpasst habe in Deutschland und irgendwie will ich ja auch wieder zurück und endlich wieder was lernen. Mir kommt es vor als habe ich hier nicht wirklich etwas gelernt (schulisch gesehen), aber mein Englisch ist makellos mittlerweile, ich habe die besten Freunde der Welt gefunden, ich hatte die beste Zeit meines Lebens, habe so viel über mich gelernt, habe so viel an Dankbarkeit und Toleranz gewonnen, ich wüsste nicht, was ich mehr hätte aus diesem Jahr rausholen hätte können.

Wie dem auch sei, es steht noch nichts fest und ich werde euch auf dem Laufenden halten. Bitte kriegt es nicht in den falschen Hals, ich will auf jeden Fall noch mal betonen, dass ich niemanden verschüchtern will: Ja, ein Auslandsjahr hat Schattenseiten, aber wisst ihr was? Schattenseiten kann es nur mit Sonne geben und Sonne werdet ihr am meisten haben. Außerdem macht es jeden stark, zu lernen mit nicht ganz so einfachen Sachen umzugehen, nicht zuletzt liegt es an euch, wie viele Schattenseiten es geben wird!

Ich küsse euch,
eure Anna